Wenzgöggel, Schollaklopfer und Sandhasen
In unserer Gegend ist es durchaus üblich, dass die Bewohner eines Ortes mit einem Spitznamen versehen werden, den sie wohl oder übel für immer mit sich herumtragen müssen. Viele der Spitznamen gehen auf ein mehr oder weniger wahres Ereignis aus der Vergangenheit zurück, bei dem sich die Dorfbewohner oft wie die berühmten Bürger von Schilda verhalten haben.
Unter dieser Rubrik haben wir für Sie die Legenden in der Form gesammelt, wie sie vom Alerheimer Hauptlehrer und Chronisten Christian Gruber im Jahr 1927 niedergeschrieben wurden.
Alerheim: "Schollaklopfer"
Anno dazumal! Im Frühjahr nach der Saatbestellung kommt für die Bauern eine Zeit, von der sie sagen: "Iatz isch net omüiaßig." Die Alten nahmen darum dann die Hacke oder Schaufel auf die Schulter, um auf den im Brachfeld noch übriggebliebenen Äckern die dicken Erdschollen zu zerschlagen.
Zu dieser Zeit kam einst ein höherer Beamter dienstlich ins Dorf. Den Bürgermeister konnte er nicht treffen, desgleichen auch nicht den Beigeordneten, Gemeindeverwaltungsmitglieder waren nicht zu ermitteln, auch nicht die "Flurer". Überall die gleiche Auskunft: "Im Feld beim Schollen klopfen."
Darob war der Herr etwas ungehalten und er nahm schlechter Laune seinen Weg durch das Dorf. Im südlichen Teil desselben verhielt er sich etwas, denn ein mächtiges Gebäude, der "Königsbäck", ein Hof, der mit alten Schank- und Bäckereigerechtsamen ausgestattet ist, fiel ihm ins Auge. An dem Gemäuer und an den Zäunen lehnten viele Hacken und Schaufeln; aus den offenen Fenstern der Wirtsstube drang dicker Tabaksqualm und lautes Gespräch war hörbar.
Der Herr trat in die Stube und sah hier eine ganze Anzahl Gemeindebürger, vom Bürgermeister bis zum Flur herab. Darüber erstaunt, stellte er die Frage, wie eine solche Zusammenkunft mitten in der Woche und am hellichten Tage möglich sei und wie es sich mit dem "Schollenklopfen" verhielte. Der Bürgermeister gab zur Antwort, dass es sich allerdings um diese Zeit zuträfe, die Schollen auf den Äckern zu zerschlagen, dass es aber nach einem solchen strengen WInter wie dem heurigen keine Schollen zu zerschlagen gäbe. Um aber nicht nutzlos im Acker zu stolpern und womöglich noch als Faulenzer verschrien zu werden, auch des Hauskreuzes wegen daheim auf einige Stunden ledig zu sein, endlich sich auf die harten Tage der Ernte zu stärken, wäre man hier versammelt.
Das Antlitz des Herrn Gestrengen hatte das Finstere verloren und gemütlich blieb er noch ein Weilchen bei den Schollenklopfern. In Nördlingen aber am Stammtisch erzählte er gelgentlich von diesem Ereignis, das dann in der Stadt bekannt wurde. Am kommenden Schrannentage wurden die Alerheimer als "Schollenklopfer" stürmisch begrüßt und es soll sogar blutige Keilerei in einer Wirtschaft gegeben haben.
Rudelstetten: "Sandhasen"
Es war in alter Zeit. Als der RIessee abgelaufen war und der Schlamm des Kessels hart und begehbar wurde, zogen die Menschen von den Höhen ringsum talwärts und bauten den fruchtbaren Boden an. Wie knospete und grünte es im Riesgau! Und Jahr für Jahr wurden die Ernten reicher.
Auch in Rudelstetten entstand eine kleine Siedlung und die Sandböden östlich der Wörnitz ließen, wenn auch nicht mit dem Erfolge wie im eigentlichen Ries, immerhin guten Feldbau zu.
Zwar war nie etwas von Wild zu blicken. Scheue Rehaugen blickten verstohlen aus den nahe gelegenen Wäldern, während die Hasen es verschmähten auf die Rudelstettener Flur zu wechseln.
Endlich aber wagte es doch ein alter Hase - zur Herbstzeit wars - und trat seinen Erkundigungsgang hierher an. In den Krautbeeten hielt er Einkehr, setzte sich dann und wann auf seine Hinterläufe und machte seine artigsten Männlein, als er sich an den Krautsköpfen sattsam gelabt hatte.
Da kam ein Rudelstetter des Weges, der auf dem Beete, auf welchem der Hasenvater saß, eine Furche auftun wollte. Als er des Tieres gewahr wurde, meinte er ein schreckliches Ungeheuer zu erblicken, das gerade noch warte ihn mit Haut und Haaren zu verschlucken. Der Schreck fiel ihm in die Glieder; er warf die Schaufel von sich und nahm Reißaus. Gar oft stolperte er im Gehen und auf glattem Sande schlug er häufig zu Boden. Endlich kam er vor Furcht zitternd ins Dörflein.
Vor Schreck hatte er die Sprache verloren. Erst nach Tagen erlangte er diese wieder, nachdem ein benachbarter Quacksalber ihm dazu durch Verordnung probatester Mittel verholfen hatte. Diesem erzählte er dann auch von seinem fürchterlichen Ereignis und beschrieb den Drachen so gut er konnte.
Der aber schüttelte sich vor Lachen und meinte, dass ein Hase wohl auch auf dem Sande besonders wenn dort Krautsbeete wären anzutreffen sei, dass er sich aber vor den Menschen fürchte und bei ihrem Näherkommen flüchtete. In diesem Falle aber sei er, sein Patient, der furchtsame Sandhase gewesen. Der Quacksalber aber war ein Schalk und erzählte das Vorkommnis zur Belustigung in den umliegenden Dörfern. Seitdem sind die Rudelstetter die "Sandhasen".
Wörnitzostheim: "Wenzgöggel"
Am Karfreitag gibt es Fastenspeise. Das ist klar und für den Fischer von Wörnitzostheim eine Pflicht, so viele Fische bereit zu halten, damit die ausgedehnte Kundschaft des Fastengerichts teilhaftig werde. Sein, des Fischers Nachteil ist dies nicht und so dachten auch seine Vorfahren, Geschlecht um Geschlecht.
Einmal nun hatte ein Fischer von Wörnitzostheim entschieden Pech bei seiner Karfreitagsfischerei. Die Wörnitz ging schon seit Wochen hoch, das Wasser war schmutziggelb und das Wetter kalt und brachte abwechselnd Schneestüber und Regenschauer. WIe sehr auch der Fischer sich plagte, er fing keinen Schwanz und die Legel war leer. Sein Unmut wuchs von Tag zu Tag, half ihm aber nichts. Ja, er ärgerte sich unbändig, besonders aber auch deshalb, weil die Göggel heuer vielmehr krähten als sonst und sich als Tummelplatz dicht am Wörnitzufer die fischreichen Ausbuchtungen wählten.
Dies Geziefer war dem Fischer entleidet und so trieb er soviel Hähne als er antraf mit seinen Gehilfen in die Wörnitz. Dort sollten sie krepieren, was schadets auch. Diese aber trieben immer wieder dem Ufer zu um sich zu retten. "Wart, ich besorge es euch!" rief er aus, spitzte feiste Würmer an die Angelhaken und dachte sich, sobald die Göggel anbissen, sie herauszuziehen und den Kragen umzudrehen.
Sie bissen auch an, aber jedesmal wenn sie das kalte Eisen spürten, rissen sie den Angelhaken samt der Darmschnur von der Leine, so dass der Fischer seine liebe Not hatte nur mit dem Anbringen von neuen Haken. Endlich gingen sie ihm aus und mit einer wahren Teufelswut ging er nach Hause. Nach ihm kamen die Göggel, ein jeder eine lange Schnur zum Schnabel heraushängend.
Das konnte nicht verborgen bleiben und in der Umgebung belachte man diesen Streich. Als aber am Gründonnerstag der Herr Dr. v. L. seine schon längst bestellten Fische beim Fischer persönlich abholen wollte, die natürlich nicht vorhanden waren, rief er spöttisch aus: "Mit euch Wenzgöggel ist aber auch wirklich nichts anzufangen!"
Und dieser Spitzname blieb bis auf den heutigen Tag.